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Wissen wo wir herkommen

Bruno Labbadia ist nun mittlerweile schon länger Geschichte beim VfB Stuttgart. Eine, doch etwas prägende, Aussage seiner ersten Amtszeit hängt uns aber immer noch nach. „Wir wissen wo wir herkommen“. Es war sein Schutzschild gegen jegliche Art von Kritik an der Spielweise, an seinem System, an allem, was man ihm hätte anlasten können. Die Älteren unter uns erinnern sich an grauenhafte Spiele, die zwar teilweise gewonnen wurden, aber mit schönem Fußball hatte das wenig zu tun.

Auch heute wissen wir natürlich wo wir herkommen. Der zweite direkte Wiederaufstieg, eine sehr solide erste Aufstiegssaison, zweimal Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag oder sogar bis zur Relegation. Danach die Saison, die uns für so viel der letzten Jahre entschädigt hat. Zweiter Platz, Champions League, Aufbruchstimmung. In der aktuellen Saison macht sich so allmählich etwas Ernüchterung breit. Die letzten Wochen steht nur ein magerer Sieg auf dem Konto, weder gegen Kiel oder Hoffenheim auswärts, noch gegen Gladbach oder Wolfsburg daheim konnte dreifach gepunktet werden. Boden der Tatsachen. Und wie man das Ganze zu betrachten hat, da gehen die Gefühlswelten der VfB Fans etwas auseinander. Gerne wird eben auf das Labbadia Zitat verwiesen, wir müssen ja eben wissen wo wir herkommen und wir kommen nun einmal vom Abstiegskampf und da ist die aktuelle Positionierung im Mittelfeld doch absolut in Ordnung. Dem kann ich so zustimmen. Eine Positionierung im Mittelfeld ist nach den Abstiegen und dem Abstiegskampf in den letzten zehn Jahren in Ordnung. Es fehlen noch drei Punkte zur magischen 40-Punkte-Grenze – so oder so, wird der VfB auch nächste Saison Bundesliga spielen und das war die letzten Jahren zu dem Zeitpunkt mitten im März eher nicht selbstverständlich.

Aber natürlich gibt es ein „aber“. Die letzte Saison war außergewöhnlich, ein vermutlicher Ausreißer nach oben. Wie geht man damit als Verein um, man steht vor der Herausforderung Champions League. Wie geht man das an? Der VfB hatte sich für das volle Programm entschieden, für Investition und zwar in einem Volumen, wie man es in Stuttgart noch nie gesehen hatte. Über 70 Millionen Euro wurden vor der neuen Saison investiert. Undav und Demirovic mit Ablöserekorden für unseren Verein, dazu Chabot. Mit den Transfers in der Winterpause ging das Volumen auf über 90 Millionen hoch. Platz 3 in der Liste der Transferausgaben. Natürlich wurde auch Geld eingenommen durch die Verkäufe Richtung Dortmund. Ich für meinen Teil kann bei solchen Summen aber nicht mehr von „wo wir herkommen“ sprechen. Die Vorzeichen haben sich mit dem Start der aktuellen Saison komplett geändert. Man ging, natürlich bewusst, ins Risiko, um den VfB weiter vorne zu platzieren. Diese Investitionen, diese Ausgaben schreien nach internationalem Geschäft, nach Europa League. Mindestens. Nicht nach Mittelfeld. Dazu wurden Verträge von Leweling und Stiller verlängert, logischerweise nicht zu den gleichen Konditionen. Das Geld muss fließen und ohne Europa wird es nicht mehr so fließen, sprich wir werden uns im Sommer von einigen Spielern verabschieden müssen. Von einigen werden wir es nicht können, weil die sportliche Nachfrage nicht gegeben ist, gepaart mit einem guten Gehalt, welches sie bei uns erhalten. Das soll jetzt kein Vorwurf an die sportliche Leitung des VfB sein. Es war ein Versuch und vielleicht bekommen wir ja die Kurve noch, die Saison hat noch ein paar Spieltage.

Was mir nur wichtig ist, hört bitte auf mit „wissen wo wir herkommen“. Wenn man in die Saison über 90 Millionen an Ausgaben für Spieler reinpackt, dann sprechen wir eben nicht mehr von den gleichen Voraussetzungen oder Bedingungen wie vor zwei oder drei Jahren. Wenn man nur hinter den Bayern und Leipzig bei den Ausgaben steht, dann darf man auch einfach unzufrieden sein mit Heimniederlagen gegen Gladbach, gegen Wolfsburg und sagen, dass es einfach viel zu wenig ist, wenn man nur mit einem Punkt aus Kiel oder Hoffenheim zurückkehrt. Vor zwei oder drei Jahren mit dem damaligen Kader – kein Thema. Mit dem was wir heute zur Verfügung haben ist das einfach viel zu wenig und Kritik daran heißt nicht, dass man (in dem Falle ich) gleich die Köpfe von allen fordert. Einfach nur Kritik an dem, was die Mannschaft mit dem Trainerteam aktuell auf den Platz bringt.