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Ein Jahr wie ein Traum

Es ist auf den Tag genau 365 Tage her, am 9. April 2023 (komm mir jetzt keiner mit dem Scheiß Schaltjahr), dass der VfB das erste Bundesligaspiel unter Sebastian Hoeneß in Bochum bestritt. Am Ende des Tages stand der erste Sieg unter dem neuen Trainer, der erste Auswärtssieg der Saison 2022/23 und ja, der Startschuss zu einer Reise, die wir alle VfB Fans uns nie, absolut nie hätten träumen lassen. Mit dem Sieg verließ der VfB Platz 18 auf den uns Bruno Labbadia erfolgreich geführt hatte, mit Spielern auf der falschen Position, mit dem Nichterkennen von Talent. Wir erinnern uns alle an Anton auf der RV Position, die öffentliche Brandmarkung von Millot, für den es einfach nicht in der Bundesliga reicht. Ein Jahr später sind, nicht nur diese zwei Spieler, absolute Leistungsträger geworden. Über die Relegation hielt der VfB die Klasse, mit einem Kader, dem viele nachsagten, dass er nicht bundesligatauglich ist.

Ein Großteil dieses Kaders steht, genau ein Jahr später nun auf Platz 3 in der Bundesliga und darf sich berechtigte Hoffnung auf die Teilnahme an der Champions League machen. Klar wurde der Kader verändert, sinnvoll ergänzt – im Kern sind es eben aber noch viele Spieler, die zwei Jahre gegen den Abstieg gespielt hatten. Und ich bin mir sicher, dass selbst die allergrößten Optimisten dies nicht für möglich gehalten hätten. Diese Entwicklung hat natürlich einen Namen: Sebastian Hoeneß. Vielleicht war es ganz gut, dass zuvor Labbadia war und wir eigentlich nur noch wenig Chancen hatten auf den Klassenerhalt, so war die Erwartungshaltung an den neuen Übungsleiter nicht zu groß. Unter der Woche ging es mit dem DFB-Pokal-Sieg in Nürnberg los, mit dem Torschützen Enzo Millot. Ausgerechnet. Der Treffer stand und steht für mich symbolisch, was Hoeneß in dem Jahr geschafft hat. Er erkennt das Potential der Spieler, er stellt sie auf ihrer besten Position auf und vor allem – er hat bisher fast jeden Spieler besser gemacht. Schon in der Relegation gegen den Hamburger SV konnte man erkennen, dass der VfB spielerisch sich entwickelt hatte und dem Zweitligisten spielerisch keine Chance lies. Auch nur ein Zwischenschritt in der Entwicklung. Dazu sehen wir seit Jahren der spielerischen Dürre im Stadion endlich wieder eine VfB Mannschaft, die einfach schönen Fußball spielt. Es macht Spaß zuzuschauen, zu sehen wie Automatismen greifen. Jeder weiß was der andere macht, wie der Laufweg ist. Der VfB ist variabel von den Systemen/Taktiken her, auch Verletzungen und Sperren werfen die Mannschaft nicht aus der Bahn. Selbst bei Rückständen, früher ein sicheres Indiz für eine Niederlage, spielt die Mannschaft weiter, als ob es noch Unentschieden steht. Angstgegner gibt es auch nicht mehr, Union Berlin und Dortmund wurden in dieser Saison dreimal geschlagen, selbst den SC Streich konnte der VfB zweimal schlagen. Tiefstehende Mannschaften? Auch das kann funktionieren. Das ist nicht mehr mein VfB – vermutlich ein Satz, den fast alle VfB Fans diese Saison einmal von sich zum Besten gegeben haben.

Für all dies kann ich nur meinen Hut vor Sebastian Hoeneß ziehen. Vielen Dank für dieses Jahr, das einem wie ein Traum vorkommt. Wie lange der Traum noch weitergehen wird? Das wird die spannende Frage. In der Sommerpause werden vermutlich einige Spieler den VfB verlassen, zu gering sind die Ausstiegsklauseln, um finanziell potente Vereine abzuhalten. Selbst wenn der VfB in der Königsklasse spielt, werden wir ein neues VfB Gesicht sehen. Ob es wieder so erfolgreich wird? Kann man bezweifeln, wobei für mich eine weitere Saison ohne Abstiegssorgen bereits wieder ein Erfolg wäre. Ich wünsche mir für die nächsten Wochen und Monate, dass die VfB Fans nicht vergessen, wo wir vor einem Jahr standen, dass vielleicht auch wieder schlechtere Zeiten kommen und so sollte man vielleicht nicht mit zu viel Übermut auf die Fans anderer Vereine schauen, die sich jetzt über Schiedsrichterentscheidungen oder Zeitspiel des VfB ärgern. In einem Jahr sind es vielleicht wieder wir, die sich ärgern. Bis dahin: genießt jede Minute des neuen VfB Stuttgart.